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Ein Sammelsurium an Texten und Gedanken
3. Juni 2024
Körperfrieden
Jede und jeder von uns denkt bei „Körper“ an etwas anderes. Ich denke an Zahlen: die Zahl auf der Waage, den Body-Mass-Index, Kalorien und an eine gewisse Anzahl von Schritten. Es ist verrückt innerhalb einer Generation hat sich unser Verhältnis zum eigenen Körper stark verändert, meine Oma hat garantiert noch nicht an Zahlen gedacht.
Meine Oma ist 1905 geboren und war 1,58 m gross oder klein. Sie wog die meiste Zeit ihres Lebens so um die 80 kg. Als sie vier Jahre vor ihrem Tod nur noch 70 kg wog, machte sie sich Sorgen und sie machte Witze: „wenn ich weiterhin so abnehme, werde ich richtig gut in die letzte Kiste passen und darin noch tanzen können!“
Meine Mutter ist 1942 geboren und war die ersten 35 Jahre ihres Lebens richtig dürr. Die ganze Familie atmete regelrecht auf, wenn sie uns mitteilte, dass sie es geschafft hatte, wieder 45 kg zu wiegen. Sie ist 1,62 m gross und hat sich die meiste Zeit ihres Lebens von Brötchen mit verschiedenem Inhalt ernährt. Im Geschäft ging das halt am einfachsten. Und sie hat geraucht - ihr ganzes Berufsleben lang. Als sie aufgehört hat mit rauchen, arbeiten und den Brötchen hat sie zugenommen. Mit 60 Jahren. Die Schlauen unter euch merken nun, dass sie sich wohl auch weniger bewegt hat. Ja ihr habt recht. Aber sie war nach der Pensionierung erstmals auch für mich und viele andere zu geniessen. Sie war ruhiger, zufriedener und glücklicher. Endlich. Nun ist sie 80 Jahre alt und ähnelt rein körperlich ihrer Mutter, meiner Oma, sehr.
Ich bin 1961 geboren und im Pass steht, dass ich 167 cm gross bin. Irgendwann als junge Frau wog ich mal 54 kg. Das dürfte mein dünnster Zustand auf dem Planeten, als Erwachsene, gewesen sein. Es gab auch zwei Schwangerschaften in meinem Leben aber am meisten Fülle erreichte ich mit 16 Jahren. Ich war nur unglücklich und ich hatte aufgehört Judo zu trainieren. Damals wog ich 85 kg. Ich kann mich noch daran erinnern, dass ich keuchte wenn ich in die Wohnung im 2. Stock musste. Es hat mich aber nicht wirklich gestört. Einige waren dicker als ich und manche waren dünner als ich ABER unbeweglicher. Ich habe mit meinem 85 kg immerhin noch zwei Schirennen gewonnen. Masse macht auch schnell. Es gibt auch so etwas wie ein Sommer- und Wintergewicht. Oder Phasen der Lethargie oder Phasen mit mehr Bewegungswillen. Ich habe keine Waage mehr und versuche schon länger mich meinem Körper ohne Zahlen zu nähern. Was gar nicht so leicht ist. Beweglichkeit und Gesundheit sind im Moment die Zustände, die mich an meinem Körper interessieren.
Meine Freundin, schlank, sitzt mit mir im Café und sagt zum Thema Körper: „meinen Kontostand teile ich dir ja noch mit, aber mein Gewicht erfährst du nicht!“ Das sitzt. Das Tabu Körper ist grösser als ich gemeint hatte. Freundinnen teilen doch alles miteinander!? Sogar Sexgeheimnisse.
Brauchen wir ein Comingout? Aber was für eines? Das Gewicht als Zahl ist es ja nicht! Ein Comingout der Ent-stressung vielleicht? Frauen die öffentlich sagen, dass Ihnen ihr Gewicht egal ist. Liebe Leserin, lieber Leser du merkst, dass mir als Frau zum Thema Körper zuallererst unser Gewicht einfällt. Aber nun möchte ich doch noch ein wenig mehr über dieses Fleischklöpschen schreiben, über das Einige sagen, es sei der Tempel in dem unsere Seele wohnt.
Ich erinnere mich an meine Kindheit und es hat doch wirklich einige Unfälle gebraucht, bis ich diesen Körper wirklich bewohnen konnte. Ich hab mich verletzt, immer wieder, weil ich mir noch nicht klar war, wie gross dieser Körper ist und was er aushält und was nicht. In der Pubertät dann der Rausch der Geschwindigkeit, das Glück kam ganz rasch, wenn ich etwas wagte und es gelang: rennen, klettern, alles ohne Helm, Wildbäche durchschwimmen, bei mir stand Schifahren ganz oben (sogar stehend ausserhalb der Bindung oder mit verbundenen Augen), Motorrad fahren oder auf der Schaukel abspringen. Es hat so unsagbar Spass gemacht und meistens ist es auch gut gegangen.
Mit der ersten Liebe kamen die ersten Pickel und es begann der Kampf um die Kilos. Die Kleider sahen bei den anderen immer besser aus und lieber Dr. Sommer, wie geht das mit dem Sex und lieber Dr. Sommer „Bin ich normal?“. Endlich die 80er Jahre und man konnte auch als Frau oben ohne rumlaufen. In Südfrankreich zum Beispiel, wo die Eltern und Verwanden es nicht erfuhren. Es war eine Freude, so viele nackte Menschen, die man beobachten durfte. Dann haben wir uns wieder unsere Kleider übergezogen und sind gen Süden bis Portugal per interrail. Als ich im Krankenhaus gearbeitet habe, wurde mein körperliches Weltbild massiv erschüttert. Ich sah junge, schlanke Menschen, die doch ganz rasch von einem aggressiven Krebs befallen wurden und ich sah übergewichtige, bewegungsarme Menschen, die sich rasch wieder erholten, von Krankheiten. Ist unser Körper ein autonomes Wesen oder folgt er doch stets dem Geist und der Seele oder ist es vielleicht umgekehrt? Vermutlich stimmt beides. Extremsportler sagen, dass sie dem Körper Extremes abverlangen können. Und indische Yogis verlassen ihren Körper gleich ganz. Den Körper zu beherrschen klingt für mich nicht sehr attraktiv. Aber wer weiss, was in Extremsituationen alles zusammen spielen kann. Jenseits unserer Vorstellungen.
Langsam wurde es bei mir besser mit dem eigenen Körper. Er wurde eingecremt und auch lieb gewonnen. Zuerst wohl von mir selber. Er wurde verteidigt und beschützt vor fremden Zugang und gelobt für die Strapazen der Schwangerschaften und dem folgenden Schlafmangel über Jahre. Es wurde irgendwie sanfter, auch mittels Yoga, bewusster Atmung und Meditation. Die Haut, so scheint mir, zeigt mir am meisten, das Alter. Die Elastizität ist zurück gegangen. Hautpigmente verändern sich. Es wird aber auch schöner im Fleischklöpschen zu wohnen. Friedlicher und das Beobachten wird spannender. Es tut sich irgendwie mehr als früher. Wenn schon die Seele im Klöpschen wohnt, so ist sie eine engere Verbindung eingegangen. Körper, Geist und Seele verschmelzen mehr. Haben einen Friedenspakt geschlossen.
Vergessen ist das Kalorien zählen und vergessen sind Diäten und Ernährungsberatungen. Die Versprechen der Modezeitschriften haben sich als die Falschen erwiesen. Ich trage enge und weite T-Shirts, ganz nach Lust und Laune. Ich habe meinen ganz persönlichen Positivity-Body-Account eröffnet. Demnächst werde ich eine App entwickeln. Willst du sie herunterladen? Jetzt? Was kann die Welt mehr gebrauchen? Frieden vielleicht und der fängt beim eigenen Körper an.
31. März 2023
Krank oder glücklich
Menschen, die mich kennen bitten mich manchmal auch etwas über Krankheiten zu schreiben, weil sie wissen, dass ich selber mit körperlichen Einschränkungen lebe. Ich ziere mich immer etwas, aber nun nähere ich mal dem Thema.
Es gibt ja immer eine Angst, auch bei mir, dann in einer Schublade zu landen. Sie ist krank ! Ach ja? Psychisch? Ist mir auch schon aufgefallen! Körperlich? Ach, man merkt ihr gar nichts an!
Im Oktober 2020 hat mich also Covid erwischt und es ging zuerst ganz gut. Bin auch gleich wieder zur Arbeit gegangen...aber sechs Wochen später ging gar nichts mehr. Blockade total. Wie läuft man? Wie kann ich meinen Arm bewegen? Wo bin ich? Wer ist der junge Mann in meiner Wohnung? Ach mein Sohn, interessant?
Am Anfang dominieren neurologische Ausfälle. Es kommen körperliche Beschwerden dazu: Schmerzen in den Gelenken, in der Hüfte, im Rücken, Entzündungen in den Augen, Bläschen im Mund, brainfog, Schwindel, Fieber, Schweissausbrüche, frieren, Gürtelrose, Herzrasen...Infekte ohne Ende. Niemals gibt es Erkenntnisse oder Bestätigungen im Blutbild, MRI oder auf irgendwelchen Bildschirmen und Geräten.
Andere landen in der Psychiatrie, aber das erfahre ich erst später, als ich überhaupt erst wieder andere kennenlerne. Keiner weiss Bescheid. Kein Arzt. Kein Labor. Anmeldung bei der IV. Es dauert. Dazwischen geht es gut. Aber, hallo, ich schlafe 14 Stunden am Stück und dann wieder gar nicht. Ich arbeite auch, schleppe mich durch da Leben. Pausen bestimmen mein Leben und ein neuer Rhythmus entsteht, der Krankheit geschuldet.
Ich liege und während ich so liege weiss ich, dass ich alle Macht über meinen Körper verloren habe. Er scheint fremdbestimmt-von einem Virus oder den Nachwehen davon.
Ich bestimme nun, dass ich mich nur noch um meine seelischen Belange kümmere, wenn der Körper nicht mehr will, wie ich will.
Ich miete ein Atelier. In den Stunden des Liegens schreibe ich Gedichte, schreibe ein Buch, entwerfe Stickmuster, führe längst fällige Gespräche, innerlich, meditiere, und wenn ich dann kann........gehe ich gleich los, an den Computer, ins Atelier.
Mein Leben ist neu. Meine ursprüngliche Arbeit ist mir abhanden gekommen. Mein Umfeld hat sich total verändert. Ich habe mich nicht verändert, ich bin mir treuer geworden. Ich habe Medikamente bekommen, ich bin in REHA gegangen. Versicherungen haben mich abgelehnt, aber Menschen sind geblieben.
Meine Ärztin sagte mir gestern, durch Long Covid lernen wir ganz schnell, dass Glück niemals von Gesundheit abhängt. Dank an alle die geblieben sind und Dank an alle, die dazu gekommen sind. Von Long Covid Betroffene dürfen mir gerne schreiben. Es gibt eine Selbsthilfe-/Austauschgruppe in Luzern. Auch der Verein Long Covid Schweiz ist für uns da.
22. Juni 2022
Ja zum Farbdialog
JA ich bin klinische Kunsttherapeutin und JA ich liebe meinen Beruf sehr. Ich habe gefunden was ich beruflich lange gesucht habe. In den über dreissig Jahren, seit dem ich nun als Kunsttherapeutin tätig bin, habe ich unzählige Methoden ausprobiert, angewendet, gesucht und wieder verworfen. Mal sollte es expressiv sein, mal zart und poetisch, mal unterstützend und mal aufdeckend. Die Kunsttherapie hat mir immer darum gefallen, weil in ihrem Haus so viele Zimmer mit verschiedenen Methoden zur Verfügung stehen. Das stille Gedicht, der kleine Gedanke genauso, wie das grosse Bild und die schreiende Performance.
Es gibt verschiedene Phasen im Leben-auch ich als Kunsttherapeutin habe verschiedene Lebensphasen erlebt und ausgelebt....und heute:
JA heute biete ich nur noch eine einzige Methode an: den FARBDIALOG. Er ist geblieben, er ist der treuste, der der sich IMMER bewährt hat. Der hilft, wenn die Menschen nicht mehr ein oder aus wissen. Wenn eine Frage drängt. Wenn ein Schmerz laut ist oder wenn da gar nichts mehr ist: Leere.
Zu Beginn meiner beruflichen Laufbahn hatte ich immer etwas Angst vor dem Farbdialog. Ich sah meine Rolle als Therapeutin in Gefahr, ich hatte Angst zu nah zu kommen. Was man halt so alles lernt in einer Ausbildung. Zum Glück haben mich die Menschen eines Besseren belehrt.
JA ich habe auch meinen Vertrag mit dem EMR (Erfahrungsmedizinisches Register) gekündigt und arbeite nicht mehr mit Krankenkassen zusammen. Ich weiss ich finde auch so meinen Weg zu den Menschen und gemeinsam finden wir eine Zahlungsmethode für meine geleistete Zeit.
Und JA, ich nenne die Menschen, die zu mir kommen nicht mehr Klienten oder Patienten. Ich nenne sie wieder Menschen und das waren sie auch immer, jenseits ihrer Lebensgeschichten und Diagnosen.
So biete ich meine Zeit an und du schenkst mir deine Zeit und dein Vertrauen, gemeinsam malen wir eineinhalb Stunden lang am gleichen Blatt Papier. Wir erleben und leben. Nenne es THERAPIE, nenne es COACHING, nenne es SUPERVISION oder SPIELEN. Der Farbdialog funktioniert immer. Ich freue mich auf viele weitere Begegnungen am gleichen Blatt Papier.